Valsero

Général Valsero: Panafrikanismus, Spiritualität und die Liebe zu Berlin

    YAD                                                                                                                                                                 04.11.2024

 

VALSERO ist der Pate des "Rap engagée” aus Kamerun und spricht in seiner Musik über soziale und politische Missstände. Sein Song "Lettre au Président" macht ihn 2019 in ganz Afrika bekannt und auch zum Staatsfeind der Regierung um Paul Biya – Kameruns amtierenden Präsidenten, der seit mehr als 40 Jahren im Amt ist und damit das am längsten amtierende Staatsoberhaupt der Welt.

Nach den Präsidentschaftswahlen 2019 ruft VALSERO zum Protest gegen die Wiederwahl Paul Biyas auf. Kurze Zeit später wird er brutal verhaftet, als er mit seiner achtjährigen Tochter in Kameruns Hauptstadt Yaoundé spazieren geht und sitzt ohne ein Gerichtsverfahren für zehn Monate im Gefängnis. Heute lebt er im Exil in Belgien, da er in Kamerun nicht mehr sicher ist.

VALSERO kämpft weiter gegen das politische System in seinem Heimatland. Er hat drei Alben veröffentlicht und tourt mit derm Slogan "Prison didn't break me" durch Europa. Am Rande seines Konzertes am 25. Oktober im Club Panke hat NoSlave.rec Gründer Yannick Dabo den Künstler, politischen Aktivist und Exilant aus Kamerun getroffen, um über seine Perspektiven, nicht nur zu seinem Land sondern zur globalen Lage sowie zu seinem persönlichen Weg, zu sprechen. Mit dabei war auch der in Berlin lebende Aktivist aus Kamerun, KEFF.

VALSERO: ... ein Konflikt, dass die Logik des Panafrikanismus seit 50 Jahren versucht in die Herzen der Menschen in Afrika zu finden. Und man kann konstatieren, dass obwohl jemand Afrikaner ist und obwohl die Logik des Panafrikanismus wohl ganz Afrika gut tun würde, es viele afrikanische Länder gibt, in denen die Jugend nicht ihren Platz in diesem Projekt und dem panafrikanistischen Ansatz findet. Der Kampf um die Freiheit im ganz Allgemeinen schreitet voran...

Heute gibt es in Afrika zwei Strömungen, die sich gegenüberstehen, von denen ich berichten kann, weil ich dort gelebt habe. Es gibt jene, die Afrika auf der Ebene ihres Landes befreien wollen und jene die glauben, dass man Afrika nur in seiner Gänze und vollumfänglich befreien kann. Und letztere suchen nach einer Zauberformel, die überall funktionniert, ob in Mali oder Niger oder Kamerun... so wie Kemi Seba. Aber das hat seine Grenzen. Ich sehe solche Leute, doch wenn man diesen Ansatz verfolgt mit einer Mustervorlage, die in allen Ländern und allgemein funktionieren soll, sind die Grenzen dieses pan-afrikanistischen Ansatzes idealistisch aber unzugänglich.

Nehmen wir die französische Oligarchie: Die panafrikanistische Strömung sieht nicht die afrikanischen Diktatoren, die einen Kniefall vor Frankreich machen und die afrikanischen Völker ersticken, ebensowenig wie die Imperialisten, die die afrikanische Jugend zerstören.

Ich bin damit nicht einverstanden und meine persönliche Sicht darauf ist, dass man sich dem aktuellen Kontext anpasst. Die Europäische Realität ist, dass es eine Menge Mitgliedsstaaten in der EU gibt, die sich nicht in der aktuellen europäischen Konfiguration wiederfinden. Es gibt viele Staaten, die die EU verlassen wollen. Es gibt viele Völker in Europa, die sich nicht in den Zielen Europas wiedererkennen.

YAD: Es erscheint momentan so, als ob es eine potentielle Möglichkeit ist, dass Europa nicht mehr allzu lange in dieser Form existiert, weil die Menschen sagen, dass es in dieser Form...

V: ...nicht mehr ihre Identität repräsentiert. Wenn wir nun nach Afrika schauen finden wir dort die gleiche Situation vor. Bleiben wir beim Beispiel von Kamerun und Kemi Seba, der dort herumstolziert, im Land des größten Diktators der Welt - oder Nathalie Yamb, die sich für die Verkünderin des Panafrikanismus hält, aber sich mit der Diktatur abfindet. Ich weiß nicht, ob es in der Souveränität Platz für eine Diktatur gibt? Wenn ich sie nun aber dort entlangstolzieren sehe im Angesicht dieser Verbrechen und Grausamkeiten, die durch das Regime von Paul Biya in Kamerun geschehen, und sie dann sagt, er sei der Musterschüler Frankreichs, verstehe ich sofort, wo die Logik des Panafrikanismus liegt. Und ich sehe das gleiche bei Kemi Seba, der sich auf den ehemaligen Präsidenten des Tschad, Idriss Deby, bezieht, der sein Volk unterdrückt aber die französische Regierung hofiert. Und ich erinnere mich, dass Kemi Seba damals einen französischen Pass hatte. Und das führt dann im Zuge von Logik und Kohärenz dieser pan-afrikanistischen Aktivisten zu der Frage um ihre Integrität? Integrität ist nicht verhandelbar.

Man muss wissen, dass, selbst wenn man nur drei Prozent seiner Integrität einbüßt, selbst wenn es nur ist, weil man rechtfertigt, wer oder was man ist, dann hat man sie bereits verloren. Denn die Integrität ist nicht verhandelbar.

Du wirst also zu einem Schauspieler im Theater. Jemand, der gegen eine Maschine kämpft, mit der ihn aber auch eine Partnerschaft verbindet, ist vielleicht ein Bauer im Schachspiel dieser Maschine.

Der Großteil der Panafrikanisten, von denen ich weiß, dass sie in Europa leben, besitzen auch einen europäischen Pass und die entsprechende Staatsangehörigkeit.

YAD: Bedeutet das für Dich automatische eine Disqualifikation und ist unvereinbar mit persönlicher Integrität?

V: Nein, in Europa zu leben sehe ich nicht als Mangel an Integrität, denn in Europa zu leben ist ein Geisteszustand und nicht das Physische. Dein Körper ist hier in Europa, aber der Kampf, den wir führen, ist auf fundamentale Weise von ideologischer Natur. Ich persönlich weigere mich, einen französischen, deutschen oder belgischen Pass anzunehmen. Ich könnte es tun und es verheimlichen, was mir das Leben sehr erleichtern würde. Nicht, dass ich es nicht wollte. Aber für mein Land und den Regeln meines Landes folgend wäre das ein Bruch mit der Kohärenz, denn dort wird eine doppelte Staatsbürgerschaft nicht akzeptiert. Wenn das anders wäre, würde ich es sofort machen und einem weiteren Pass, einen zusätzlichen Schlüssel in meine Tasche stecken. Jedoch ist ein Panafrikanist, der sich nicht in die politische Sphäre Afrikas versetzen kann, nichts als ein utopischer Panafrikanist.

YAD: Fühlst Du Dich also als Panafrikanist?

V: Nein, ich verstehe mich nicht als Panafrikanist, denn ich weiß nicht, was man als Panafrikanist macht und in welche Richtung der Panafrikanismus steuert. Aber ich fühle mich zutiefst afrikanisch. Ich fühle mich als Kameruner, ich fühle mich dem Tschad zugehörig, ich fühle mich kongolesisch, ich fühle mich guineisch, ich fühle mich malisch, ich fühle mich senegalesisch... Ich fühle mich zutiefst afrikanisch. Und das macht mich zufrieden.

YAD: Das ist aus meiner Sicht viel schöner, wenn sich die ganze Welt über ihren Beruf identifiziert und von sich so etwas sagt wie: "ich bin ein Bänker", oder "ich bin ein Schuster", oder das über eine Szene tut, wie jemand, der gerne Hip-Hop mag und sich als Hip-Hopper sieht, es stattdessen als etwas spirituelles zu betrachten und zu der Erkenntnis zu gelangen, dass man man selbst ist und sich anstatt mit einer Nationalität oder einem Pass zu identifizieren, es über die wahren Wurzeln zu definieren.

KEFF: Die Menschen heutzutage denken nicht mehr an die Vergangenheit. Wir und besonders die schwarzen Völker werden es aber in Zukunft wagen, für unser Wohlsein einzutreten.

V: Ich habe ein Problem mit der Logik von "schwarzen Völkern". Wenn man sich die Welt in ihrer heutigen Form betrachtet, können wir von ihrem Schicksal sprechen. Das soll heißen, dass sie nie wieder die alte sein wird. Europa wird nie wieder vollkommen weiß sein. Die Zeiten sind passé, in denen die weißen weiß waren, die schwarzen schwarz waren und jeder auf seinem eigenen Planeten gelebt hat. Diese Welt ist Vergangenheit und das schon seit Jahrhunderten, und sie wird auch nicht wieder dorthin zurückkehren. Die Hybrid-Kultur, die aus der Vermischung und der Begegnung geboren ist und vorher nicht existiert hat, existiert bereits. Die schwarzen Völker sind nicht mehr nur schwarz, wie sie es einmal waren, sondern haben eine ungemein vielfältigere, diverse und buntere Identität.

Nehmen wir das Beispiel eines Mischlings. Er lebt in seiner Umwelt, wo Weiß oder Schwarz davon abhängt, wo er sich aufhält. Wenn ein Mischling sich in Kamerun aufhält, zählt er dort als weißer. Aber wenn er bei den Weißen ankommt, nennt ihn jeder Negro. Wir leben heute also in einer Realität, die früher nicht vorherzusehen war.

Wie kann es sein, dass wir Afrikaner das nicht alles hinter uns lassen können? Selbst unsere Wertvorstellungen in den Menschen, die denken, es seien unsere Werte, z.B. in Bezug auf die Sexualität und Homosexualität, Transgender etc. All diese diversen Formen der Sexualität, die heute existieren, zeigen, dass die alte Welt der Vergangenheit angehört. Man sagt nicht mehr er oder sie, sondern erschafft dafür ein neues allgemeingültiges neues Wort (anstatt il / elle wird im Französischen nun oft ielle verwendet). Wenn Afrika sich also neu erfinden und in die Welt projizieren möchte, existiert der Kern dazu bereits und wir erreichen auf vielen Ebenen eine Integration der aktuellen Evolution auf globalem Niveau, mit der Hoffnung, dass die Art und Weise, in der wir uns neu erfinden, uns auf eine Stufe mit dem Rest der Welt bringt. Das betrifft auch unsere Sicherheit, denn niemand fragt nach, wenn er einen anderen Teil der Welt angreift und Afrika ruft nicht im Westen an, wenn sie wegen unserer Reichtümer kommen. Souveränität existiert nicht, wenn man nicht in der Lage ist, für seine Sicherheit zu sorgen. Und keine Form der Sicherheit existiert heutzutage auf individuellem Niveau. Wenn Afrika sich also neu erfinden will, in einer Welt wo die Leute sich um Landraub und Öl bekriegen, was Fakt ist und die Realität, in die wir geboren wurden ,dann muss der erste Schritt dieser Neuerfindung sein, die Stärke des Superhelden von Wakanda zu entwickeln, um das unsere zu beschützen. Kriege sind in den Ländern über die Plünderung ihrer Ressourcen ausgebrochen, weil sie sich nicht selbst verteidigen können, weil sie gegängelt werden und weil sie schwach sind. Die Souveränität im Kontext des Panafrikanismus geht also einher mit unserer Fähigkeit uns selbst zu verteidigen.

Zurzeit sind wir im Begriff, uns in einer besseren Welt vorzustellen. Deshalb glaube ich, dass wir unser Verständnis des Panafrikanismus neu überdenken sollten. Kamerun ist das Herz Afrikas. In strategischer Hinsicht, oder z.B. auch was die Biodiversität anbelangt. Wir haben eine Kraft, die Tschad nicht besitzt.

KEFF: Es gibt neue Technologien wie A.I. Wir sollten unser Gehirn umprogrammieren, aber da ist noch nichts passiert, weil wir programmiert wurden uns klein zu fühlen. Heutzutage weiß man, dass alles, was sich physisch manifestieren soll, zunächst in Gedanken und im Geiste bestehen muss. Die Inder haben nach Gandhi zu sich selbst gefunden und verstanden, wer sie sind. Die Chinesen haben heutzutage ein Verständnis davon, wer sie sind.

V: Die Wahrheit ist, dass die Chinesen die Amerikaner nicht mit Ninjas bekämpfen, sondern mit Atombomben.

YAD: ... oder mit einer stärkeren Wirtschaft.

V: Ich träume von einem von seinen Komplexen befreiten Afrika. Ich bin ein schwarzer, der keinen Anteil an schwarzen Völkern nimmt, sondern an der Welt. Jemand, der das Vermögen des Schwarzen in eine offene Welt trägt. Deshalb begrenzt sich mein Kampf nicht nur auf Kamerun. Wenn ich hier in Europa bin, führe ich einen europäischen und westlichen Kampf.

Ein Beispiel: Als ich in Kamerun war, war ich vollkommen homophob. Von meiner Kultur aus, von meiner Erziehung her und in meinem ganzen Leben. Aber es war mein eigenes Leben, das ein Rewind mit meinem Mindset gemacht hat. Es war also niemand da, der mich überzeugt hätte. Als ich nach Europa gekommen bin, hat mein Gehirn ein Reset bekommen.

YAD: Ich kann mir vorstellen, dass es ein Kulturschock war!

V: Ja, und zwar ein enormer. Dann wiederum nicht notwendigerweise ein Kulturschock, sondern dass ich westliche Vorstellungen angenommen habe. Das Vokabular, welches man verwendet, wenn man in Kamerun von Homosexuellen spricht, ist nicht das gleiche Vokabular, das in Europa verwendet wird, wenn man von Homosexuellen spricht, was heißen soll, dass Homosexuelle in Kamerun nicht existieren, wenn Du verstehst, was ich damit meine.

KEFF: Wenn wir über Gender und Ähnliches reden, dann weil die Sexualität eine spirituelle Dimension hat. Die Länder im globalen Süden haben noch diese spirituelle und mystische Dimension, während die westliche Welt diese verloren hat. In Afrika und ich spreche beispielsweise von Kamerun, gibt es viele Menschen, die sich homosexueller Praktiken bedienen und nicht homosexuell sind. Wenn ich das meinen Freunden hier erzähle, können sie das nicht begreifen, weil diese Welt sie nicht auf so etwas vorbereitet.

V: Und weil sie limitiert sind. Glaubt nicht, dass nur wir in Afrika limitiert sind. Die Menschen hier haben auch ihre eigene Begrenztheit. Hier in Europa ist die Gesellschaft sehr liberal in Bezug auf sexuelle Neugierde (Homosexualität) und außerdem tolerant. Bei uns wird sexuelle Neugierde weder akzeptiert noch toleriert. Wenn einem dort jemand an den Hintern fasst, haut man ihm eine aufs Maul. Aber hier sind die Leute neugierig. Analverkehr wurde nicht in Afrika erfunden.

Die Typen, die Du hier siehst, all die "Nummern", denen man begegnet, ob in der U-Bahn oder am Bahnhof. Es sind keine Menschen, sondern Nummern, die Produkte im Supermarkt kaufen, welche von den Großmächten hergestellt werden. Es handelt sich nicht um normale Menschen, sondern um Statistiken. Sie sind nur eine Nummer und eine Statistik. All diese Leute sind vollkommen beschäftigt, die Rechnung fürs Haus zu bezahlen, Steuern zu zahlen und den ganzen Rest zu bezahlen. Sie haben nicht den Grad an Armut, der sie zur Spiritualität führt oder zu einem Desinteresse an Materiellem, den Grad an Trennung vom Mechanischen. Es sind Maschinen. Maschinen, die den Kontakt zur Spiritualität verloren haben. Sie sind Roboter.

YAD: Vielleicht ist es ein System, welches die Menschen von klein auf von diesem Kontakt wegführt und ablenkt, bis sie den Kontakt gänzlich verlieren. Darum geht es bei meinem Label und das ist auch, was ich Hobskur erzählt habe. Die Idee, den Menschen zu ermöglichen, wieder in Kontakt mit sich selbst zu gelangen, beispielsweise über Kunstworkshops. Denn die Menschen haben jegliche Verbindung verloren. Und das hat zahlreiche Implikationen. Die Menschen haben Angst, sie sind nicht selbstsicher, sie wissen nichts über ihr Vermögen, Veränderungen zu bewirken und ein Teil des Wandels zu sein. Das ist, was ich gerne von Dir wissen möchte: Wir sprechen über Panafrikanismus, aber wo findet sich darin der Platz für das Individuum?

V: Das ist, was auch für mich schwierig am Konzept des Panafrikanismus ist, denn die jungen Afrikaner und Individuen in Kamerun finden nur schwer ihren Platz darin: Wie können sie Einfluss nehmen? Ob sie in ihrem Viertel, in ihrem Haus und um sie herum die Möglichkeit haben, ihre Idee zu leben und ob diese zu einer Entwicklung und zu ihrem Glück führt...

YAD: Es klingt ein wenig nach dem Geist der "Nummern".

V: Ja, es ist dieselbe Sache. Aus diesem Grund sage ich, dass wir nicht alles vermischen müssen. Es ist ein weltumspannender Kampf, aber es sind völlig verschiedene Gräben, in denen die Akteure die Fähigkeit brauchen, ihn aus ihrer persönlichen Sichtweise zu führen. Jeder besitzt einen eigenen Standpunkt und es gibt nicht die eine Sache, die jeder tun soll, sondern jeder handelt von seinem Standpunkt aus. Ich denke z.B. um Afrika zu befreien, geht nichts an der Befreiung Kameruns vorbei. Denn was die jungen Menschen dort umtreibt, ist die Macht der französischen Imperialisten, die aus uns ein Land gemacht haben, das eine Zone der Ausbeutung und der Unterentwicklung ist. Ein Land, in dem die eigene Bevölkerung erscheint, wie illegale und unbezahlte Arbeiter der multinationalen Konzerne des Westens. Es gibt fünf oder sechs Carefour (französische Supermarkt-Kette), sieben oder acht Total Tankstellen etc. Es sind die Kameruner, die dort schuften, wie die Hunde, aber die Kohle verschwindet. Wer entscheidet sowas? Paul Biya.

KEFF: Ich verabschiede mich, aber will noch einen Gedanken hier lassen. Das erste Mal als ich einen Rasta gesehen habe, hat es meine Neugier geweckt, worum es sich bei dieser Bewegung handelt. Und ich habe entdeckt, dass obwohl ich ein Rasta werden wollte, ich den Rastas etwas über ihre Wurzeln beibringen konnte, weil die Wurzeln in Afrika liegen. Entlang meines Wissens von heute und der Esoterik, mit der ich mich beschäftige, ist die Basis Hermes Trismegistus, ein Philosoph und Spiritueller, dessen Wissen von Ägypten herrührte. Jedoch wurden all die mystischen Schulen, die Alchemie und die Kabbala und das alte Wissen uns nicht von unseren Eltern beigebracht.

V: Unsere Eltern waren und sind selbst nicht ausreichend mit den kulturellen Werten ihrer Wurzeln und den Wurzeln der Afrikaner in Kontakt, um sie an uns und die jungen Afrikaner weitergeben zu können, weil ihre Eltern es ihnen schon nicht beigebracht haben. Wir dürfen uns hier nicht irren: Afrika und seine Geschichte der Kolonisation und Versklavung kann man als Verbrechen an der Menschheit bezeichnen. Das soll heißen, dass die Idee des Pan-Afrikanismus der Gegenwart und der schwarzen Völker und jungen Menschen, die in Afrika nicht ihre Identität finden oder sich definieren können, darauf zurückgeht, dass die Plünderung nicht nur materieller Natur war. Die Zerstörung war in noch viel größerem Maße spirituell als physisch, wie dem Raub von Ressourcen etc. Es handelt sich um etwas, das sich heutzutage in der Aneignung der westlichen Kultur manifestiert. Aber man kann niemanden zwingen zurückzukehren, denn wir unterhalten uns bereits auf Französisch. Ich bin gegen eine Rückkehr in die Welt unserer Vorfahren und ins Rückwärts und in eine Welt, wo Afrika für die Afrikaner war und Europa für die Europäer. Ich bin dagegen und glücklicherweise wird es nie wieder so sein. Ich bin überzeugt, dass diese Welt nie wieder existieren wird. Und ich denke, dass der Gedanke eines Überlebens Afrikas nicht gut zum Zeitgeist passt. Der Panafrikanismus in seinem jetzigen Zustand ist ein Ansatz zum Überleben Afrikas im Gefüge der großen Blöcke in der Welt. Es ist ein Dogma, von dem man mit der Zeit feststellen wird, das es Schwierigkeiten macht es auf dem Kontinent umzusetzen.

YAD: Es gibt Leute, die es bereits versucht haben, wie z.B. Gaddafi.

V: Ja, aber das Schwerste für Typen wie Gaddafi ist, dass die Leute eine Menge erzählen, was Gaddafi nicht erzählt hat. Es gibt viele Projekte und Intentionen, die, um bei Gaddafi zu bleiben, nicht seine Projekte oder Intentionen waren. Für mich ist es immer sehr schade, wenn wir gelegentlich vergessen und uns schwertun zu akzeptieren, was die Realität ist. Ich sehe Kämpfe um die Unabhängigkeit, die weiterhin einen großen Einfluss auf den Panafrikanismus ausüben. Man hat Kämpfer aus Kamerun, die sich nach Botswana oder Ghana aufmachen. Wir haben Kämpfer aus Ghana, die nach Kamerun kommen. Es gibt Rebellen in Kamerun, die nach Russland reisen, um kongolesische Rebellen zu treffen...

YAD: Noch mal die Frage: Womit identifizieren sich diese Leute? Mit ihrer Staatsangehörigkeit oder mit einer größeren Idee?

V: Damals war es die Identifikation mit etwas Größerem. Wenn ??? losgezogen ist, um Martin Paul Samba aus Kamerun zu treffen und das ganze fand in Äthiopien statt, dann ging es natürlich um ganz Afrika und wie man den Kampf gemeinsam führen kann. Dafür wurde die Afrikanische Union gegründet...

YAD: ...die dieser Tage auch nicht mehr unbedingt ist, was sie mal sein sollte.

V: Na klar. Der Westen hat die Typen schnell dingfest gemacht. Man hat das Potenzial dieser Dynamik schnell erkannt und zerschlagen, bevor sich etwas Handfestes daraus entwickeln konnte. Aus diesem Grund habe ich gesagt, dass wenn man nicht die Fähigkeit zum Schutz der eigenen Ideologie hat, es wahrscheinlich ist, dass sie gar nicht erst zur Blüte geführt wird.

YAD: Reden wir hier von einem rein materiellen Schutz oder auch von einem spirituellen?

V: Beides. Wenn wir von der Größenordnung eines Landes sprechen, ist es physisch und materiell.

YAD: In Form von Waffen?

V: Ja. Und das Wissen darum, wer Du bist, wenn wir vom Geistigen sprechen. Deinen Platz zu finden unter anderen und Respekt für Dich einzufordern. Aber die Typen wurden gefangen und zerstört, um den Elan der Afrikaner zu brechen, auf der nationalen wie auch panafrikanistischen Ebene. Sie haben sie gebrochen und dann ihre Kolonialverwalter eingesetzt. Und dann wurde der Austausch verhindert. Man hat für Verrat gesorgt und für ein geteiltes Afrika. Man konnte nicht mehr Kamerun verlassen und nach Burkina Faso reisen, ohne vorher um ein Visum zu bitten. Es entstand eine Grenze zwischen Kamerun und Tschad, unserem direkten Nachbarn, die natürlich eine koloniale Grenze ist und völlig kontraproduktiv ist, sowohl auf politischer als auch auf ökonomischer Ebene. Auch den Gedanken an Panafrikanismus und ihn zu realisieren gab es, aber die Leute wurden gefangen genommen. Es gab diese Strömungen, einen gemeinsamen Plan zu machen und Widerstand zu leisten, ganz abgesehen von den Vorhaben zur Entwicklung.

YAD: Widerstand ist ein gutes Stichwort, denn er ist auch notwendig, um zu wachsen. Wenn ich meine Muskeln trainiere und Sport treibe, benutze ich für zwei Wochen eine 5-kg-Hantel, aber dann wird es zu einfach und ich bedarf eines größeren Widerstandes, um zu wachsen. Es ist ein interessantes Konzept, das von vielen Leuten übersehen wird. Wie Du gesagt hast, muss man nicht alles miteinander vermischen, denn die Polarität hat ebenfalls einen Wert.

V: In der gegenwärtigen Welt ist es mit am wichtigsten, in der Lage zu sein, zu widerstehen. Betrachten wir die Welt von heute und die Not des Panafrikanismus. Es sind 20 Jahre ins Land gezogen, und die Not ist heute nur noch schlimmer. Wenn Du heute in Kamerun oder in Afrika im Allgemeinen ankommst, triffst Du auf Russen, die die Franzosen ersetzt haben.

YAD: Oder Chinesen?

V: Und aus der Sicht des Panafrikanismus ist das fürchterlich. In diesem Moment heißt der wirkliche Herrscher über Mali Wladimir Putin. Er benutzt Mali als Stützpunkt für seinen Kampf gegen die USA. Der wirkliche Herrscher über Burkina Faso ist Putin. Er benutzt Burkina Faso als Stützpunkt für seinen Kampf gegen den Westen. Und für Afrika als Ganzes haben die großen Pan-Afrikanisten in Mali, in Burkina Faso und in Niger ihren Platz eingenommen. Der Kampf der Pan-Afrikanisten wird also von Russland finanziert, einem Land, dass aus ist auf Diamanten und Gold und all diese Dinge.

Ich habe ein großes Problem mit Typen, die zu ideologisch sind und zu spirituell, weil ich denke, dass sie manchmal zu abgehoben sind. Wenn sie ihre Füße wieder auf den mechanistischen Boden setzen würden, wären sie möglicherweise keine (politischen) Akteure mehr. Möglicherweise ihre Kindeskinder, wenn sie dem Zeitgeist folgten. Es sind Leute, die einer Logik folgen, die ein wenig zu sehr ins Philosophische geht. Denn, wenn Du heute nach Kamerun kommst...

YAD: ... siehst Du die Realität.

V: Ja. Wenn Du nach Afrika kommst und den panafrikanistischen Widerstand siehst, dann siehst Du auch seine Akteure. Der Typ, über den wir eben schon gesprochen haben, Kemi Seba, ist in Frankreich geboren und von französischen Eltern adoptiert worden. Er hat seinen Aktivismus in Frankreich gemacht und war in den banlieue usw.. Er hat etwas über den Aspekt von schwarzem Rassismus gelernt. Danach hat er den Tribu Ka gegründet und Malcolm X nachgeeifert, danach Marcus Garvey. Als er etwas größer war, ist er ein Black Panther geworden, all das während er in Paris war. Er hat sein Ding gemacht... Antiimperialistisch...

YAD: Aber ihm hat die Perspektive der Realität in Afrika gefehlt?

V: Irgendwann ist er nach Afrika gegangen, um dort zu leben und hat sich in einer französisch-afrikanischen Diktatur niedergelassen. Er war da und hat seinen Kampf gegen Frankreich fortgeführt, aber im französischen Viertel gewohnt und ich weiß nicht was... Und Frankreich versucht derweil zu polarisieren und er macht seinen Panafrikanismus, der sich seit 15 Jahren keinen Schritt nach vorne bewegt. Und ich frage mich die ganze Zeit: Seit ihr euch sicher, dass Kemi Seba kein französischer Agent ist? Das hat den Leuten Angst gemacht, und sie haben es gar nicht gemocht, wenn ich sowas gesagt habe, weil sie über beide Ohren verliebt waren. Er ist, wie Barack Obama, wie ein Pop-Star des Aktivismus. Er war ein Schauspieler in Kinofilmen, er ist ein Hip-Hopper...

YAD: Ich mag diesen Gedanken. Denn man kann sich eigentlich über gar nichts sicher sein. Auch das führt einen wiederum zurück auf das Selbst und dort sehe ich persönlich viel mehr Potenzial als wenn man sich an den Pop-Stars, den Politikern und Organisationen orientiert. Wenn wir über Afrika in seiner Gesamtheit sprechen, sehe ich dort eine unglaubliche Macht, die in all den Individuen liegt, die dort leben. Es ist eine riesige Bevölkerung, aber eine Bevölkerung, die schläft. Ich kenne nur einen kleinen Ausschnitt der Perspektive aus dem Senegal, aber was ich dort sehe, ist, dass die Menschen den Westen sehen und versuchen nachzuahmen. Und wenn ich frage, warum sie ein großes Auto haben wollen, sagen sie mir, um damit ihren Geschäftspartner beeindrucken zu wollen. Komm schon, das macht überhaupt keinen Unterschied. Dort reden alle davon, muslimisch zu sein, aber was sagt der liebe Gott, wenn Du eine Show für Deinen Businesspartner abziehen willst? Sei doch lieber aufrichtig mit Dir selbst und imstande, in den Spiegel zu schauen und Dir sagen zu können, dass Du wirklich integer bist. Und dort sehe ich den spirituellen Krieg. Die "Nummern" gibt es auch hier bei uns, aber Du brauchst keine Waffen mehr, wenn sich die Leute bereits selbst versklaven.

Und das führt mich zu Deiner Musik, in der Du über Deine Erfahrungen sprichst und ich frage mich, ob es in Deiner Jugend klar war, dass es nicht ohne Konsequenzen bleiben wird, wenn Du Deine wahre Meinung sagst?

V: Ja, das war klar.

YAD: Wie hast Du trotzdem den Mut gefunden, es zu tun?

V: Weil ich glaube, dass ich das Glück hatte existieren zu wollen und sein zu wollen - meinen Platz haben zu wollen... Den Willen, meinen Platz an der Tafel der Menschheit einzunehmen. Ich glaube, dieser Wunsch war viel größer und hat mich nicht vor der Gefahr zurückschrecken lassen, der Gefahr bezüglich der Dinge, die ich sage, und der Risiken, die ich eingegangen bin. Denn ich habe es nicht um des Risikos willen getan, sondern um mein Recht einzufordern und zu begründen, an der Tafel der Diskussion um die Probleme unserer Zeit Platz zu nehmen - den Problemen meines Landes und meiner Welt. Und deshalb gab es zwei Optionen: Wenn Du willst, dass Deine Meinung zählt, gilt es, dass Du zunächst eine Meinung hast. Ich hatte die Chance, weil ich eine Meinung hatte und diese auch teilen wollte. Es gibt Leute, die eine Meinung haben, aber diese nicht preisgeben wollen und das nicht notwendigerweise, weil sie nicht mutig sind. Vielleicht haben sie einen unbefristeten Vertrag und eine gute Arbeit. Sie wollen in Ruhe Leben. Sie wollen ein Haus und ein Auto und einen Hund und eine Katze. Wenn ihre Meinung zu äußern ihnen nicht erlaubt, das zu haben und sie deshalb in Gefahr geraten könnten, behalten sie es lieber für sich. Aber ich wollte nie einen Hund und eine Katze, ein Haus und ein Auto haben. Und ich glaube, das hat mir die Kraft gegeben.

YAD: Was ist es also, was Du für Dich haben möchtest – Deine Vision?

V: Etwas beizutragen. Ich habe heute bereits das Leben, das ich mir wünsche. Ich möchte im Herzen der Entwicklung meiner Welt sein und teilhaben an der Entwicklung der Welt. Ich will existieren, weil ich glaube, dass ich etwas beizutragen habe. Ich denke, wo ich jetzt bin, in dem Kampf, an dem ich mich beteilige, gibt mir den Eindruck, dass ich meinen Platz eingenommen habe. Das heißt, ich habe das erhalten, was ich wollte. Wie als ich Kamerun verlassen konnte und in Italien ankam und das Lied anlässlich der Präsidentschaftswahlen in Frankreich für Jean-Luc Mélenchon schrieb und der Sänger war, der sich in die französische Politik einbrachte... Das zeigt mir, ich bin, wo ich sein will. Ich erzähle den Leuten manchmal meine Erinnerungen an die Wahlen in Frankreich 2022. Ich liebe Jean-Luc Mélenchon und er hat für die Präsidentschaft kandidiert, was mich interessiert hat und ich war in Frankreich, also schreibe ich einen Song, weil ich es kann, und schlage ihn für die Kampagne vor. Es ist die Hymne seiner Kampagne geworden, und er ist bei den Wahlen zweiter geworden. Nach jemandem, den wir heute sehen, nach Macron. Wo ich heute bin, ist genau wo ich sein will.

YAD: Zum Abschluss vielleicht noch zwei schnelle Fragen und Antworten: Ich habe erfahren, dass Du in Kamerun inhaftiert warst. Was hat Dir geholfen und die Kraft gegeben, das durchzustehen? Was hattest Du für Strategien?

V: Ich glaube, es war das warum. Jedes Mal, wenn ich daran zurückgedacht habe, warum ich eingesperrt wurde, hat mir das die Kraft gegeben, ruhig zu bleiben. Es ist eine Strategie, die mir ein Freund gegeben hat, der mit mir eingesperrt war, Maurice Kampto. Er war es, der mir gesagt hat, dass ich jedes Mal, wenn ich schwach werde oder es schwierig ist oder ich mich frage, ob ich hier sterben werde, mir ins Gedächtnis rufen soll, warum ich eingesperrt wurde. Und das hat mir die Kraft gegeben.

YAD: Was sind Deine Gedanken zum Konzept der Sklaverei?

V: Es ist eine Verletzung und eine große Wunde. Für die ganze Welt. Ich denke, es betrifft nicht nur Afrika, sondern hat die gesamte Welt ärmer gemacht. Es hat verhindert, dass Afrika mit der Welt teilen kann, was es zu bieten hat, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen. Und es hat einen Teil des afrikanischen Reichtums amputiert und damit auch die ganze Welt amputiert. Es ist nicht mal ausschließlich, was den dunkelhäutigen angetan wurde, was am schlimmsten ist. Ich bin mir nicht sicher, ob nicht eines Tages die menschlichen Wesen mit heller Haut mit ihren Herzen ringen werden, weil sie diese Wunde verursacht haben. Wie auch die Wunde, die sie durch die Shoa verursacht haben, die für mich eine Fortsetzung der Sklaverei ist. Ich bin nicht sicher, ob sie dafür bereit sind.

YAD: Letzte Frage: Welche Botschaft hast Du für die Menschen in Berlin und / oder in Deutschland?

V: (lacht) Selbst wenn ich jetzt keine habe, werde ich darüber nachdenken, denn ich glaube, das ist meine Aufgabe in dieser Welt und meine Verantwortung. Ich kann also nicht sagen, dass ich nichts zu sagen habe. Was ich beispielsweise an die jungen Menschen in Berlin richten kann, ist, dass sie in Berlin bleiben sollen. Sie sollen hier bleiben, denn eine der Hauptstädte der Welt, die ich immer geliebt habe, und es ist schade, dass ich noch nicht Deutsch spreche, ist Berlin. Es war die erste Stadt in Europa, die ich besucht habe, und die ersten Europäer, die ich getroffen habe, waren Berliner. Deshalb ist die Botschaft, die ich an die Berliner sende, auch nicht dieselbe, wie jene an die restlichen Deutschen, weil die Berliner für mich anders sind. Ich liebe die Berliner und Berlin ist eine Geisteshaltung und eine Philosophie. Es ist der Ort der höchsten Kultur, was den kleinen Ausschnitt der Welt anbelangt, den ich bisher besucht habe. Ich glaube, sie haben eine Verbindung mit ihrer Geschichte, die ich mehr respektiere als im Rest Europas. Deutschland hat die Verbindung zur eigenen Geschichte mehr angenommen als die anderen Länder in Europa. Beispielsweise im Vergleich zu Frankreich. Sie haben keine Angst vor der Schande. Es wirkt vielleicht etwas komisch, zwei oder drei Deutschen zu begegnen, die sich der Rolle schämen, die Deutschland im Zweiten Weltkrieg innehatte. Es ist für mich seltsam, einen zeitgenössischen Deutschen zu sehen, der sich dessen schämt.

YAD: Denkst Du, dass den jungen Menschen in Deutschland eine Verantwortung aus der Geschichte der Shoa erwächst?

V: Ich denke sie haben keine direkte Verantwortung, aber ich glaube, die Aufgabe daran zu erinnern ist sehr wichtig. Und hier in Deutschland wird diese Aufgabe besser angenommen, vor allem hier in Berlin, als z.B. in Frankreich, wo man nicht mal in der Lage ist Akten freizugeben. Seien es die Akten über die Kolonialzeit, oder die Massaker, die in vielen Ländern Afrikas verübt wurden, nicht zuletzt in Kamerun, wo man Menschen einfach verbrannt hat. Man schafft es nicht einmal, solcherlei Akten der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Und in Deutschland: Ich kann mich irren, denn ich wohne nicht hier, aber was die wenigen Verbindungen, die ich zu deutschen habe anbelangt, akzeptieren sie diese Schande. Sie reden nicht davon, dass es nicht ihr Problem sei, sondern sie schämen sich ein wenig. Und selbst wenn sie diese Scham nicht im Herzen tragen, denn ich weiß auch, wie die Welt sich dreht, ist es der schiere Fakt, dass man es an öffentlichen Plätzen zur Schau stellt und die Meinung vertritt, dass etwas getan wurde, was man niemanden antun sollte und was Schaden angerichtet hat.

YAD: Es ist ein großer Komplex und erst vor wenigen Wochen habe ich mit Freunden darüber diskutiert und sie meinten, ich solle sie damit in Ruhe lassen für irgendetwas in der Vergangenheit Verantwortung zu übernehmen, woran sie keinen Anteil hatten und dass sie stolz sein wollen auf sich selbst und vielleicht auch darauf deutsch zu sein, aber auf jeden Fall wollen sie einen Bruch mit der Vergangenheit. Was denkst Du dazu?

V: Nun, das ist ihre Sichtweise und ich persönlich halte es für eine unreife Sichtweise. Jeder hat das Recht zu sagen, was er sagen möchte, aber die Wahrheit bleibt die Wahrheit. Wenn es Dich nicht interessiert, kannst Du erzählen, dass Du nicht darüber sprechen willst und Du einfach deutsch sein willst, aber dann tut es mir leid, mein Freund: Das ist Volkswagen. Das war für den Führer. Wenn man Dir erklärt, wo die Dinge um Dich herum herkommen, wirst Du den Mund halten. Es gibt solche Leute, auch in Frankreich gibt es viele, die sagen, es ist nicht so gewesen, wie über Frankreich in Afrika berichtet wird und dass es nicht zeitgemäß ist; wir waren einfach nur da; wir sind einfach nur Franzosen und haben auch Probleme etc. Aber das ist einfach unreif und respektlos gegenüber dem Andenken. Es ist ein großer Fehler. Ich bin sicher, ihre Eltern sind überhaupt nicht stolz darauf, wenn sie so reden. Wenn ihre Eltern so gedacht hätten, wäre es nicht dieses Deutschland. Dieses Land wurde mit einer Energie aufgebaut und mit Stolz aufgebaut...

YAD: Ja, wir leben in den Häusern, die unsere Vorfahren erbaut haben und profitieren sehr von der Vergangenheit, aber wenn man das verleugnet...

V: Geh und lebe mal in Jugoslawien und Du wirst es schwer haben. Versuch mal in der Ukraine zu leben. Geh und schau Dir an, wie man dort lebt. Es gibt viele solche Leute, auch in Belgien, aber mach Dir nichts daraus. Man erkennt sie auf der Straße, weil sie ein wenig bourgeois daherkommen und es gibt viele von ihnen. Man braucht ein Niveau von Verständnis des Lebens, dem das Niveau ihres Gehirns nicht entspricht: fundamentales Menschsein und einfache Menschlichkeit. Wenn Du ein einfacher Mensch bist, dann willst Du einfach nur Dein Wasser trinken, Dein Essen essen, zur Arbeit gehen, ein Bier trinken und schlafen. Du bist ein simpler Mensch. Viele Menschen sind simpel. Und das Leben, mit all seinem Druck, der Unterdrückung, den Steuern und all dem, macht, dass Du simpel sein musst, wenn Du überleben willst. Denn es kostet Dich eine Menge Energie zu versuchen, mehr zu verstehen, als was es morgen zu essen geben wird. Es ist nicht einfach, seinen Platz hier in Europa und in Deutschland zu haben und Zeit zu finden, darüber nachzudenken, was es morgen zu essen gibt und dann noch über die Dinge in der Welt nachzudenken.

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